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60 Jahre Pferdezuchtverein Leutkirch-Amtzell

27.07.2023

Ein „Sechzger“ kann Anlass für einen Rückblick sein!

Lothar Wanner

Fotograf: Equestfoto

Aus Archivunterlagen des HuL-Gestütes ergibt sich, daß zumindest seit 1875 Marbacher Hengste während der Decksaison in Leutkirch in einem Nebengebäude der Gaststätte „Strauß“ präsent waren. Diese Leutkircher Deckplatte wurde früher begleitet/ kontrolliert vom staatlichen Beschälaufsichtsamt und dessen damaliger Leiter Regierungsveterinärrat Dr. Weber hatte 1963 die Gründung des Pferdezuchtvereines Leutkirch eingeleitet. Man versprach sich dadurch eine stärkere Position in den Verhandlungen um die Besetzung der Platte. Es war die Zeit, in der auch in Oberschwaben schon die ersten Reit- und Fahrvereine gegründet worden waren, es herrschte wirtschaftliche Hochkonjunktur und die Zeit der Umzüchtung weg vom bäuerlichen Arbeitspferd zu einem leichteren Pferd, welches den aufkeimenden Ansprüchen des damaligen Reitsports genügte, hatte begonnen. Marbach setzte hierfür auf den Einsatz von Trakehnerhengsten und im Zeitraum 1963 bis 1980 wurde in Leutkirch u.a. das Blut von Julmond (mit den Hengsten Jonas und Juchart), von Pregel (Astor, Pikeur), von Schabernack (Schlosser, Abschlag, Siegfried), von Herzbube (Helikon) sowie Kastor (Kiel, Konsul, Karolus) verwendet. Als spätere Leutkircher Hengste sind insbesonders Freimut, Matcho Son, Garant und Fleiner in Erinnerung. Unter der Ägide des leider in diesem Frühjahr verstorbenen Vereinsehrenmitglieds Dr. Wolfgang Sauter hielt ab 1992 auch die künstliche Besamung Einzug in Leutkirch.
Eine durchgreifende Sanierung der Räumlichkeiten in 1987 konnte aber letztendlich nicht verhindern, dass aufgrund stark zurückgehender Bedeckungszahlen die Platte in Leutkirch im Jahre 1996 letztmals besetzt wurde. Vorbei war die Zeit, als im Februar/März die Hengste in Leutkirch in der örtlichen Presse immer als „Boten des Frühlings“ begrüßt wurden und der „Hengstreiter“ im Städtle eine angesehene Persönlichkeit war. Für den Zuchtvereinfiel dadurch aber auch viel Arbeit weg, denn dieser hatte sich seit seiner Gründung komplett um die logistische Betreuung  der Station gekümmert (Futter, Einstreu, Mistentsorgung u.a.). Schon 1982 hatte im übrigen Dr. Manfred Schänzle, wie sein Vorgänger ebenfalls Leiter des Leutkircher Veterinäramtes, die Position des Ersten Vorsitzenden übernommen. Er hatte früh schon die Zeichen der Zeit erkannt und die Fusion mit dem benachbarten Pferdezuchtverein Amtzell langfristig vorbereitet. Diese erfolgte in 2002 und seither hat Lothar Wanner die Zügel des aus dem Zusammenschluß hervorgegangenen  Pferdezuchtvereins Leutkirch-Amtzell in der Hand.
Der Verein ist besonders stolz darauf, dass er ununterbrochen seit 1963 und somit auch seit 60 Jahren den Pferdezuchtverband Ba-Wü als Ausrichter bei den jährlichen Fohlenregistrierungen/-schauen unterstützt hat . Daneben organisiert er immer wieder mehrtägige Besuchsfahrten zu züchterischen Highlights und mit der regelmäßigen finanziellen Unterstützung und der Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen für die Jungzüchter Ba-Wü engagiert er sich auch für die Nachwuchsförderung.

Ein „Sechzger“ soll auch Anlass zum Feiern sein!
Darüber waren sich Vorstand und Ausschuß einig und hatten deshalb zu einem Jubiläumsfest am Vorabend der Leutkircher Fohlenschau eingeladen und sich dazu ordentlich was einfallen lassen. Die Reitanlage des Pferdesportvereins Leutkirch-Haid bot hierfür einen tollen Rahmen.
So durfte der Erste Vorsitzende Lothar Wanner neben Vertretern der Kommunen und der benachbarten Zucht- und Reitvereine, der Landoberstallmeisterin Frau Dr. von Velsen-Zerweck und dem Vorsitzenden des Pferdezuchtverbandes Baden-Württemberg Herrn Eddy Schuster auch eine erfreulich große Besucherschar begrüßen.
„Wir möchten Ihnen unseren Verein und unsere Mitglieder mit ihren Pferden in einer abwechslungsreichen Breite präsentieren“, so zu Beginn die Worte der beiden Moderatoren Rudi Horn und Wolfgang Schelling.
Mit einem Vertreter des Schweren Warmblutes (Elmar Netzer) und daneben  einem hochmodernen jungen Reitpferd (Lara Wanner) wurde zu Beginn die Zuchtentwicklung 1963:2023 aufgezeigt. Eine rasante Springquadrille 6 jugendlicher Reiter*Innen, einstudiert von Jochen Schelling bewies dann die  Sportlichkeit der heutigen Pferde. Anna u. Katharina Dobler, Julia u. Fabian Gindele, Ronja Wörz und Moritz Steimle hatten schon beim Zuchtvereins-Cup anläßlich des Marbacher Wochenendes die Farben des Vereins mit 2 Mannschaften hochgehalten.
Ein Vierspänner (Vitus Kuhn), Zweispänner (Stephan Gindele), Einspänner (Franz Heine) sowie ein Kaltblut-Tandemgespann (Robert Pritzi) zeigten anschließend die hohe Kunst des Fahrens. „Welcher Zuchtverein hat in seinem Mitgliederbestand gleich 4 so großartige Leinenkünstler?“ fragte der Moderator zurecht.  Eine besondere Ehrung erfuhr dann die 24jährige Zuchtstute „Hera“ aus dem Stall von Klaus Metzler als  ehemalige Landessiegerstute, der höchsten Auszeichnung für eine Zuchtstute seitens des Pferdezuchtverbandes. Eddy Schuster selber würdigte die vitale Seniorin und deren erfolgreiche Nachkommen.
Für Robert Pritzi als Amtierender Europa- und Deutscher Meister im Holzrücken Einspännig und daneben engagiertes Ausschußmitglied im Zuchtverein war es selbstredend, Einblick in seine Arbeit zu geben. Seine ruhige Art im Umgang mit seinem 6 jährigen Deckhengst Rune war beeindruckend. Rainer Geromiller bewältigte denselben Parcours in derselben ruhigen Weise mit seinen beiden Kaltblutstuten; sein Vater Rudolf kommentierte fachmännisch die beiden Vorführungen.
Axel Kaupp vermittelte dann den Zuschauern, wie er sein Pferd auf dem Abreiteplatz vorbereitet. Der in Kl. S hocherfolgreiche Springreiter hatte sein Erfolgspferd „Een gekke droom SZ“ gesattelt und Jens Meyer, für die Fohlenschau als Richter verpflichtet, vermittelte den Zuschauern, was ein modernes Springpferd ausmacht. Und „Ein verrückter Traum“ verkörperte all diese Eigenschaften!
Mit einem Pony-Vierspänner vor einem Brauereiwagen mit dem in der Szene bekannten (und sehr erfolgreichen) Nachwuchsfahrer Felix Mayerföls an den Leinen überbrachte der benachbarte  Pferdezuchtverein Bad Waldsee seine Geburtstagsglückwünsche, bevor Corinna Peter (seit kurzem Trägerin des Goldenen Reitabzeichens) und Anna-Lena Eff (hoch erfolgreich in S-Dressuren) zu einem Pas de deux auf S-Niveau einritten. Beide hatten es sich trotz aktueller Turnierstarts nicht nehmen lassen, ihre Nummer 1 im Stall zu satteln und ihre Vorstellung war begeistert beklatscht ein gelungener Abschluß eines abwechslungsreichen Programms. Lothar Wanners stolze Schlußworte waren dann auch: „Glücklich der Zuchtverein, der in seinem Mitgliederbestand solche Reiter*Innen hat, wie wir sie heute Abend sehen durften“.

Kein Jubiläum natürlich ohne Ehrungen (siehe nachstehende Liste). Zwei Vereinsmitglieder erfuhren daneben jedoch noch eine besondere Ehrung seitens des Pferdezuchtverbandes Baden-Württemberg. Vorsitzender Eddy Schuster überreichte die Goldene Ehrennadel des Verbandes zum einen an Alois Schnell für dessen „Lebenswerk Pferdezucht“. Mit 84 Jahren und auch einem Fohlen in diesem Jahr dürfte er wohl die Altersrangliste der aktiven Züchter in Baden-Württemberg anführen. Und zum andern darf Lothar Wanner sich dieses Ehren- und Verdienstzeichen ans Revers heften. Als 23jähriger hatte dieser beim Pferdezuchtverein Amtzell das Amt des Vereinsvorsitzenden übernommen und bekleidet dieses seit 2002 beim Pferdezuchtverein Leutkirch-Amtzell (siehe oben).  „40 Jahre ehrenamtliches Engagement- eine unglaubliche und vorbildliche Leistung“ – mit diesen Worten schloss Schuster seine Laudatio, wobei ja nicht vergessen werden darf, daß er mit seiner Familie „hauptberuflich“ einen hocherfolgreichen Zucht- und Sportstall in Wangen-Brententann betreibt. Wolfgang Schelling fügte deshalb auch an:„Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau“ und überreichte Blumen an Wanners Ehefrau Ute.

Geehrt wurden seitens des Vereins:
-als erfolgreiche Züchter: Franz Biesinger, Rudolf Geromiller, Wolfgang Biesinger, Walter Morgenröther, Stephan Gindele, Rudolf Wiedemann, Paul Lohner, Nicole Thein, Alois Schnell, Zucht- und Sportstall Wanner GbR.

-als verdiente Funktionäre (in Klammern die Zugehörigkeit zur Vereinsführung): Franz Biesinger (22 Jahre), Franz Heine (32), Hans Fritz (14), Hermann Fimpel (13), Waltraud Kienle (32), Dr. Manfred Schänzle (20), Lothar Wanner (40)

-als „Schaffer“: Renate Heiß, Franz Krug, Xaver Schmuck

Ehre wem Ehre gebührt!